Erinnerungen eines Kreuzberger Arbeiters
Jugenderinnerungen eines Kreuzbergers, der seit über 55 Jahren in Schweden lebt. Herausgegeben von Franziska Schmalz.
[...] Inzwischen war es kaum noch möglich, sich einer politischen Stellungnahme zu enthalten. Durch Onkel Eugen und seinen Sohn Gustav kam ich in die Jugendbewegung. Zuerst in den Kommunistischen Jugendverband (12), der im Südosten viele Gruppen hatte. Das Vereinslokal lag in der Wiener Straße, zwischen der Grünauer und der Forster Straße. Hier traf man sich jede Woche, und darüber hinaus wurden Sonntags Fahrten oder Haus-und Hofpropaganda gemacht. Wir gingen dann von Haus zu Haus, wo wir auf den Höfen sangen oder auf andere Art die Aufmerksamkeit der Mieter weckten. Schließlich wurde eine kurze Ansprache gehalten, und danach gingen wir von Tür zu Tür und verkauften unsere Zeitungen oder verteilten Flugblätter.
Zu dieser Zeit wurde der Freidenkerbund verboten (13), und an einem Abend schrieben wir eine Protestparole dagegen. Jemand hatte die Schlüssel zum Dachboden eines Hauses in der Manteuffelstraße, gegenüber dem Kaufhaus Herti, besorgt. Wir seilten uns an und schrieben mit weißer Farbe in großen Lettern. Unten kam ein Polizeiauto vorbei, das uns jedoch nicht bemerkte. Am anderen Morgen konnte man von der Kottbusser Brücke, vom gegenüberliegenden Kaufhaus und vom Kottbusser Damm unser Werk: "Nieder mit dem Freidenkerverbot", bewundern. [...]