Am Dienstag, 5. Oktober 2021 wurden weitere sechs Stolpersteine in Friedrichshain-Kreuzberg verlegt.
In der Prinzenstraße 86 wurde mit vier Stolpersteinen an Benno, Erna, Ella und Eva Herschberg erinnert.
Benno Herschberg kam 1891 in Wieluń (Russland) zur Welt. Er erlernte den Beruf des Kürschners und heiratete in Berlin 1918 Erna Neumark, geb. 1894 in Tarnów (Polen). Das Ehepaar bekam zwei Töchter: Ella, geb. 1920, und Eva, geb. 1927 in Berlin. Die Familie bewohnte eine großzügige Wohnung in der Prinzenstraße 86 und führte dort eine Kürschnerwerkstatt mit einigen Angestellten.
Am 28. Oktober 1938 wurde die Familie Herschberg im Rahmen der sogenannten „Polenaktion“ aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit verhaftet und nach Polen ausgewiesen, wo sie zunächst in der damaligen Grenzstadt Bentschen (Zbąszyń) strandeten. Von dort gingen sie zu den Großeltern in den 50 km südwestlich von Lodz gelegenen Ort Zduńska Wola. 1940 musste die Familie dort in ein sogenanntes „Judenwohnviertel“ übersiedeln, welches ab 1941 ein geschlossenes Ghetto war.
Ab 1940 musste die ganze Familie Zwangsarbeit leisten.
Das Ghetto Zduńska Wola wurde am 22. August 1942 liquidiert. Die Eltern Benno und Erna Herschberg wurden in das Vernichtungslager Chelmno deportiert und ermordet. Die Töchter Ella und Eva wurden in das Ghetto Lodz verschleppt, wo sie weiterhin Zwangsarbeit leisten mussten. Am 22. August 1944 wurden Ella und Eva Herschberg nach Auschwitz und nach wenigen Wochen weiter in das Zwangsarbeiterlager Bremen deportiert. Dort mussten sie bei Abrissarbeiten von bombardierten Häusern helfen. Als das Lager Anfang April 1945 liquidiert wurde, kamen sie nach Bergen-Belsen, wo Ella und Eva Herschberg am 15. April 1945 durch die britische Armee befreit wurden.
Beide wanderten nach dem Krieg nach Israel aus.
Die Stolpersteine für Benno, Erna, Ella und Eva Herschberg wurden von einem Angehörigen initiiert.
In der Pintschstraße 7 wurde zur Erinnerung an Lina Günther ein Stolperstein verlegt.
Lina Jakobus kam 1879 in Nichorz, etwa 130 km südwestlich von Danzig gelegen, zur Welt. Sie heiratete 1903 in Berlin den Uhrmacher Paul Günther, 1904 wurde die Tochter Meta geboren. Die Ehe mit Paul Günther wurde 1926 geschieden. Lina Günther verdiente seit 1917 ihren Lebensunterhalt mit einer Plätterei. Tochter Meta blieb bis zu ihrer Hochzeit 1927 bei der Mutter. 1933 zog Lina Günther in die Pintschstraße 8 (heute Nr. 7) und bewohnte dort im ersten Stock des Vorderhauses eine Stube und Küche. Als Jüdin wurde sie zur Zwangsarbeit in der Wäscherei der Firma Spindler in Berlin-Spindlersfeld verpflichtet. Lina Günther wurde am 27. Februar 1943 Opfer der sogenannten „Fabrikaktion“. Dabei wurden Juden und Jüdinnen, die bis dahin der Deportation entgangen waren, weil sie in kriegswichtigen Betrieben zwangsbeschäftigt waren, verhaftet und deportiert. Lina Günther wurde am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich direkt nach der Ankunft ermordet. Ihre Tochter Meta Günther überlebte die Shoah, da sie mit einem sogenannten „Arier“ verheiratet war.
Mit der Verlegung eines Stolpersteines in der Pintschstr. 15 wurde an Johanna Marnitz gedacht.
Johanna Katzky wurde 1870 in Berlin geboren. Sie heiratete 1897 Paul Marnitz, geb. 1873 in Berlin, der als Buchhalter arbeitete. Das Ehepaar lebte ab 1912 in der Pintschstraße 15 in einer Wohnung in der 3. Etage. Im Erdgeschoss betrieben sie eine Zigarrenhandlung. Von 1912 bis 1919 war Paul Marnitz auch Eigentümer dieses Hauses, er starb 1928. Johanna Marnitz führte das Zigarrengeschäft bis 1934 weiter, ab 1935 war sie Rentnerin.
Johanna Marnitz wurde am 13. Januar 1942 wegen ihrer jüdischen Abstammung mit dem sogenannten „8. Osttransport“ nach Riga deportiert und ermordet.
Die Stolpersteine für Lina Günther und Johanna Marnitz hat eine engagierte Anwohnerin initiiert.
Stolpersteine, deren Verlegung von Angehörigen oder Nachfahren von Opfern des Nationalsozialismus initiiert wird, finanziert seit 2017 das Bezirksamt. Dieses Vorgehen hat die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Beschluss (DS/0417-15/V) bekräftigt.